I. Heldensterben
„Ey Benders, da ist doch noch Pfand
drauf!“, ruft Manuel Neuer den Zwillingen zu, setzt dabei den
Ausgleich-gegen-Schweden-Blick auf und bewahrt eine Dose vor ihrem bitteren
Gang in die Niederungen einer Mülltonne. Es ist dieser furchtbare Moment der
Stille, der Moment in dem der Werbespot endet und der hilflose Zuschauer von
einer namenlos tiefen Trauer übermannt wird. Es ist der Moment in dem man sich
zurückwünscht in eine Zeit, in der man diesen Spot noch nicht gesehen hat. Denn
es ist der Moment, in dem ein weiterer Held gefallen ist.
Im nächsten Augenblick beginnt man sich
unweigerlich zu fragen, ob der gefallene Held jemals wieder aufstehen kann, ob
uns ein Weltmeistertitel vergessen oder ein gehaltener Elfmeter im
Champions-League-Finale wieder ruhig schlafen ließe, ob eine dereinst von Neuer
finanzierte und mit bloßen Händen verwirklichte Rettungsaktion aller
Robbenbabys dieser Welt jenen Teil in uns wieder zum Leben erwecken könnte, der
beim Betrachten des Werbespots von uns gegangen ist. Wohl kaum!
II. Sieben Leben
Dabei gehört es eigentlich zum
Showgeschäft, dass Helden fallen. Sie fallen, weil sie aus Liebe blind werden,
sich im Zorn über Grenzen hinwegsetzen oder aus Verzweiflung aufgeben. Sie
fallen, weil sie vom Bösen besiegt oder vom Guten im Stich gelassen werden.
Kurz: Sie fallen, weil sie menschliche Regungen zeigen.
All das verschafft ihnen letztlich nur eine Bühne, eine Bühne auf der sie zurückkehren können, heroischer als je zuvor. Doch auf welcher Bühne soll Mats Hummels zurückkehren, nachdem er sich als Innenverteidiger (zur Erinnerung: das ist die Position, die einstmals per Definition durch Schmerz, Trauer und Zerstörung gekennzeichnet war) für einen Shampoo-Spot auf dem Platz (!) die Haare (!) hat einschäumen (!!) und waschen (!!!) lassen? Das wieder gut zu machen erfordert sieben Leben. Helden tun so etwas nicht. Man stelle sich vor, Batman wäre nach der Rettung Gothams vor die Werbekamera eines Baumarktes getreten, um die Zuschauer aufzufordern: „Kauft mehr Holz, denn Holz ist die Zukunft.“ Die Bewohner Gothams hätten Bane und den Joker zu Fuß aus der Hölle zurückgeholt und sie mit Pizza, Winke Winke und Blumenmädchen willkommen geheißen.
All das verschafft ihnen letztlich nur eine Bühne, eine Bühne auf der sie zurückkehren können, heroischer als je zuvor. Doch auf welcher Bühne soll Mats Hummels zurückkehren, nachdem er sich als Innenverteidiger (zur Erinnerung: das ist die Position, die einstmals per Definition durch Schmerz, Trauer und Zerstörung gekennzeichnet war) für einen Shampoo-Spot auf dem Platz (!) die Haare (!) hat einschäumen (!!) und waschen (!!!) lassen? Das wieder gut zu machen erfordert sieben Leben. Helden tun so etwas nicht. Man stelle sich vor, Batman wäre nach der Rettung Gothams vor die Werbekamera eines Baumarktes getreten, um die Zuschauer aufzufordern: „Kauft mehr Holz, denn Holz ist die Zukunft.“ Die Bewohner Gothams hätten Bane und den Joker zu Fuß aus der Hölle zurückgeholt und sie mit Pizza, Winke Winke und Blumenmädchen willkommen geheißen.
III. Die Frage der Verantwortung
Doch es sind auch andere Fragen, die uns
in solchen Situationen umtreiben. Es ist etwa die Frage an die für die Spots
verantwortlichen Agenturen, warum sie nicht einfach ein Foto des
Nationaltorwarts (von mir aus auch mit erhobenem Daumen) vor dem Logo des
DFB-Umweltcups eingeblendet haben.
Wirklich jeder hätte dann verstanden, dass Manuel Neuer Umweltschutz total
dufte findet und niemand hätte für immer die Hochachtung vor ihm verloren. Man
muss die Werbemacher weiter fragen, ob es denn zu viel verlangt ist, den teuer
eingekauften Werbestars ein kurzes Schauspiel-Einmaleins (Atemübungen, „Stell
dir vor, du wärst ein Baum“, Gestik und Mimik der Nachsteinzeit etc.)
zuteilwerden zu lassen und in besonders schlimmen Fällen auf Fotos,
Tonaufnahmen oder Doubles zurückzugreifen. Damit würden sie sich zudem selbst
einen Gefallen tun, denn eines ist
sicher: Seit ich den Neuer-Spot für den Umweltcup das erste Mal gesehen habe, würde
ich meinen Müll am liebsten ungetrennt in Naturschutzgebiete kippen, in denen
vom Aussterben bedrohte Tiere in friedlicher Eintracht mit den letzten
verdammten Einhörnern leben und seltene Pflanzen sprießen, wie am ersten Tag im
Garten Eden. Ich lasse es allein deswegen bleiben, weil der Natur ja nun
wirklich keiner vorwerfen kann, dass sie von einer Werbefirma vertreten wird,
die selbst in der Pornobranche gescheitert wäre („Ach scheiße, wir haben vergessen,
unsere Darsteller auszuziehen“). Und ich werde mir auch ganz sicher keine
Nivea-Aufwach-Creme um den Zinken schmieren, solange Jogi Löw mit dem Charme
einer überfahrenen Nacktschnecke in die Kamera stiert und behauptet, dass man
davon einen Frische-Kick bekommt.
III. Aber Chuck, übertreibst du denn
nicht ein wenig?
Nun ja, wer daran zweifelt, dass die
sportlichen Leistungen unserer Stars in der öffentlichen Wahrnehmung von ihren
Werbeauftritten überlagert werden, der möge bitte die folgende Frage
beantworten: Wer oder was stand bei der Vorstellung Mario Götzes in München im
Mittelpunkt?
A) Mario
Götze
B) Markus
Hörwick
C) Das
werbende T-Shirt Mario Götzes
Eine Frage, die sicherlich auch ohne Joker
lösbar wäre. Mit anderen Worten: Wenn Fußballer sich in der Öffentlichkeit wie
entwurzelte Litfaßsäulen verhalten, wenn sie ihren Fans in den sozialen
Netzwerken Links zu ihren Sponsoren statt Meinungen zu anstehenden oder vergangenen
Spielen anbieten, dann werden sie eben in erster Linie als werbende
Schauspieler statt als Sportler wahrgenommen. Und in dieser Branche, das haben
nicht nur Neuer, Hummels und Löw eindrucksvoll unter Beweis gestellt, können
sie (fast) nur scheitern. Schließlich fällt man auf dem Schlachtfeld, auf dem
man kämpft.
IV. Die Zukunft?
Rollo:
Herr Götze, warum hat das Zusammenspiel ihrer Mannschaft heute nicht
funktioniert?
Mario:
Die langen Pässe, die meine „Nike High Precision 51b“ gespielt haben, waren
einfach inkompatibel zu Thomas‘ „Adidas Spiderboots
1000“ und sind an ihnen abgeprallt wie ein Flummi.
Rollo:
Und was gedenken Sie im Training dagegen zu unternehmen?
Mario:
Wir müssen jetzt weitermachen und Geschlossenheit zeigen. Die wichtigste Voraussetzung
dafür ist, dass wir als Team zusammenstehen. Und zwar in Schuhen von meinem
Sponsor Nike!
V. Helden aus der zweiten Reihe
In diesem Punkt darf ich übrigens einmal
dankbar sein, dass mir die Liebe zum großen EffZeh in die Wiege gelegt wurde. Dessen
Spieler bewahrt ein äußerst wirksames Schutzschild vor den Verlockungen der
überregionalen Werbeabteilungen. Die 2. Liga.
Eine Ausnahme gibt es nun doch: Thomas
Müller. Dem ist es in seiner ihm eigenen Art gelungen, sich im Müllermilch-Spot
mit einer unorthodoxen schauspielerischer Darbietung um einen nachhaltigen
Imageschaden herumzuwinden, wie samstags im Strafraum um eine Horde
schniefender Innenverteidiger.
VI. Und er übertreibt doch!
Na klar.
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