Erster Teil eines
Geheimagentenschulaufsatzes
„Glühwürmchen
sind alarmierend hässliche Tierchen. Aber sie glühen. Und wer kann das schon
von sich behaupten? Jeder mag Äffchen. Jeder mag Pinguine. Jeder mag
Eisbärbabys. Glühen Äffchen? Pinguine? Eisbärbabys? Nein. Tun sie nicht. Trotzdem
hat kein einziger von euch in mein Poesiealbum geschrieben, dass er
Glühwürmchen klasse findet. Oder wenigstens ok. Glühwürmchen haben einfach
keine Lobby.“
„Das ist
zwar richtig Jamie, aber nicht die Antwort auf meine Frage“, unterbricht Frau Pröpper
mein Plädoyer für eine gleichmäßigere Verteilung unserer Sympathien in der
Tierwelt.
„Ich habe
gefragt, wer das Nutellabrot von der Scarlett gegessen hat.“
Ich hasse
es, wenn ich Jamie genannt werde. Ich
bin Geheimagent und kein Fernsehkoch. Aber immerhin hat mein Ablenkungsmanöver
funktioniert. Nach der Nummer mit den Glühwürmchen würde niemand mehr auf die
Idee kommen, dass ich mich nur als neuer Schüler in die 1b eingeschlichen habe,
um dem wahnsinnigen Serien-Nutellabrot-Wegesser das Handwerk zu legen, den die
Bild-Zeitung ehrfürchtig den „Nugatnazi von Neuwied“ nennt. Dabei sind wir
ziemlich weit weg von Neuwied. Ich schätze, das ist wegen dem „N“.
In der
großen Pause gehe ich zum Schulkiosk und bestelle einen Kakao.
„Gerührt“,
sage ich, „sonst schwimmt das ganze Pulver oben.“
Während der
Kakao gerührt wird, rufe ich Mu an. Mu ist meine Mutter. Ich nenne sie Mu, weil
Mutter bei einem Geheimagenten zu
Imageproblemen führt. Ich frage sie, ob meine Frosch-Cam fertig ist und sie enttäuscht
mich nicht.
Die Frosch-Cam funktioniert so:
Ein
Frosch mit einoperierter Minikamera bekommt ein leichtes Schlafmittel. Die
Dosierung des Schlafmittels entscheidet über die Dauer der Spionagetätigkeit. Der
schlafende Frosch wird im Klassenzimmer versteckt. Da sind nämlich die ganzen
Schultaschen mit den Nutellabroten. Er wacht zur gewünschten Zeit auf und hüpft
zum Schulteich. Das ist seine Natur. Frösche wollen baden. Am Schulteich sammele
ich ihn ein und übertrage das Video per Bluetooth auf meinen Gameboy Color. Das
ist meine Natur. Geheimagenten
brauchen Informationen. Der Frosch bekommt zum Dank eine Fliege. Wäre ich
mindestens in der Sechsten, würde ich sagen: Quid pro quo. Ich bin aber in der
Ersten.
Jetzt
sitze ich am Schulteich und warte auf den Frosch. Den habe ich in der Klasse
versteckt. Wenn man neu ist und zu viel über Glühwürmchen redet, ist es ganz
leicht, einen Frosch in der Klasse zu verstecken, ohne dass man von jemandem bemerkt
wird. Da hopst er. Ihm auf den Fersen: Eine Katze. Ob Bluetooth auch aus dem Magen
einer Katze funktioniert? Das kann ich nicht riskieren. Ich springe auf und
eile meinem grünen Freund zur Hilfe. Er weiß nicht, dass er in Gefahr ist.
Sitzt einfach da und macht Hubba Bubba-Bläschen. Dieser Kretin! Die Katze ist
schneller als ich und schnappt sich den Frosch. Sie frisst ihn nicht. Sie nimmt
ihn ins Maul, als wäre er ihr Katzenbaby. Dann verlässt sie den Schulhof in
östlicher Richtung. War ja klar, dass Mütterchen Russland dahintersteckt.
Mütterchen Russland ist die Mutter von Viktor. Viktor ist mein gefährlichster
Geheimagentenkonkurrent.
Wie
Viktor sich nennt: Eisenbeißer.
Wie ich
Viktor nenne: Erstklässler mit fester Zahnspange.
Aber
warum interessiert Viktor sich für meine Informationen? Und wie hängt all das
mit dem „Nugatnazi“ zusammen?
Das
erzähle ich nur, wenn sich überhaupt irgendjemand für einen 7-jährigen
Geheimagenten interessiert. Jetzt muss ich erst mal zu Mathe.
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