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James Junior und der Nugatnazi von Neuwied



Erster Teil eines Geheimagentenschulaufsatzes  

„Glühwürmchen sind alarmierend hässliche Tierchen. Aber sie glühen. Und wer kann das schon von sich behaupten? Jeder mag Äffchen. Jeder mag Pinguine. Jeder mag Eisbärbabys. Glühen Äffchen? Pinguine? Eisbärbabys? Nein. Tun sie nicht. Trotzdem hat kein einziger von euch in mein Poesiealbum geschrieben, dass er Glühwürmchen klasse findet. Oder wenigstens ok. Glühwürmchen haben einfach keine Lobby.“
„Das ist zwar richtig Jamie, aber nicht die Antwort auf meine Frage“, unterbricht Frau Pröpper mein Plädoyer für eine gleichmäßigere Verteilung unserer Sympathien in der Tierwelt.
„Ich habe gefragt, wer das Nutellabrot von der Scarlett gegessen hat.“
Ich hasse es, wenn ich Jamie genannt werde. Ich bin Geheimagent und kein Fernsehkoch. Aber immerhin hat mein Ablenkungsmanöver funktioniert. Nach der Nummer mit den Glühwürmchen würde niemand mehr auf die Idee kommen, dass ich mich nur als neuer Schüler in die 1b eingeschlichen habe, um dem wahnsinnigen Serien-Nutellabrot-Wegesser das Handwerk zu legen, den die Bild-Zeitung ehrfürchtig den „Nugatnazi von Neuwied“ nennt. Dabei sind wir ziemlich weit weg von Neuwied. Ich schätze, das ist wegen dem „N“.

In der großen Pause gehe ich zum Schulkiosk und bestelle einen Kakao.
„Gerührt“, sage ich, „sonst schwimmt das ganze Pulver oben.“
Während der Kakao gerührt wird, rufe ich Mu an. Mu ist meine Mutter. Ich nenne sie Mu, weil Mutter bei einem Geheimagenten zu Imageproblemen führt. Ich frage sie, ob meine Frosch-Cam fertig ist und sie enttäuscht mich nicht.

Die Frosch-Cam funktioniert so:

Ein Frosch mit einoperierter Minikamera bekommt ein leichtes Schlafmittel. Die Dosierung des Schlafmittels entscheidet über die Dauer der Spionagetätigkeit. Der schlafende Frosch wird im Klassenzimmer versteckt. Da sind nämlich die ganzen Schultaschen mit den Nutellabroten. Er wacht zur gewünschten Zeit auf und hüpft zum Schulteich. Das ist seine Natur. Frösche wollen baden. Am Schulteich sammele ich ihn ein und übertrage das Video per Bluetooth auf meinen Gameboy Color. Das ist meine Natur. Geheimagenten brauchen Informationen. Der Frosch bekommt zum Dank eine Fliege. Wäre ich mindestens in der Sechsten, würde ich sagen: Quid pro quo. Ich bin aber in der Ersten.   

Jetzt sitze ich am Schulteich und warte auf den Frosch. Den habe ich in der Klasse versteckt. Wenn man neu ist und zu viel über Glühwürmchen redet, ist es ganz leicht, einen Frosch in der Klasse zu verstecken, ohne dass man von jemandem bemerkt wird. Da hopst er. Ihm auf den Fersen: Eine Katze. Ob Bluetooth auch aus dem Magen einer Katze funktioniert? Das kann ich nicht riskieren. Ich springe auf und eile meinem grünen Freund zur Hilfe. Er weiß nicht, dass er in Gefahr ist. Sitzt einfach da und macht Hubba Bubba-Bläschen. Dieser Kretin! Die Katze ist schneller als ich und schnappt sich den Frosch. Sie frisst ihn nicht. Sie nimmt ihn ins Maul, als wäre er ihr Katzenbaby. Dann verlässt sie den Schulhof in östlicher Richtung. War ja klar, dass Mütterchen Russland dahintersteckt. Mütterchen Russland ist die Mutter von Viktor. Viktor ist mein gefährlichster Geheimagentenkonkurrent.

Wie Viktor sich nennt: Eisenbeißer.
Wie ich Viktor nenne: Erstklässler mit fester Zahnspange.    

Aber warum interessiert Viktor sich für meine Informationen? Und wie hängt all das mit dem „Nugatnazi“ zusammen?
Das erzähle ich nur, wenn sich überhaupt irgendjemand für einen 7-jährigen Geheimagenten interessiert. Jetzt muss ich erst mal zu Mathe.
     

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